Mit dem klaren Ziel der EU, der USA und vieler anderer Länder, bis 2050 eine CO₂-Neutralität zu erreichen, rückt die Nachhaltigkeit nicht mehr nur als Bautrend in den Fokus, sondern wird vielmehr zur obersten Priorität.
Architekten weltweit legen verstärkt Wert auf die Gestaltung umweltfreundlicher und energieeffizienter Gebäude, was die Architekturtrends für 2024 maßgeblich beeinflusst. Sowohl die Sanierung bestehender Gebäude als auch der Neubau bieten dem nachhaltigen Baumaterial Holz eine hervorragende Gelegenheit, zu glänzen.
Fortschritte in Ingenieurwissenschaften und Technologie machen es möglich, größer und höher in Holz zu bauen, wodurch Sicherheit, Haltbarkeit und sogar Brandschutz gewährleistet werden. Letzteres war bisher ein erhebliches Hindernis für die breite Akzeptanz von hoch aufragenden Holzstrukturen.
”Krisen beeinflussen die Zukunft der Architektur bzw. das, was gebaut wird, maßgeblich. Aber abgesehen von den negativen Auswirkungen von Krisen, die in der Medienlandschaft dargestellt werden (steigende Bauzinsen, rückläufige Baufertigstellungen, mangelnder bezahlbarer Wohnraum …) birgt jede Krise auch ihre Chancen. Und darauf müssen wir uns nun 2024 – sowohl in der Baupraxis als auch in der Berichterstattung – fokussieren: Neubau wird teuer und ist umweltUNfreundlich, aber gleichzeitig können wir Nutzraum schaffen, indem Bestandsumbauten gefördert und ressourcenschonend oder zumindest auf Basis nachwachsender Rohstoffe umgesetzt werden. Dort kann Raum für Lebensmodelle jenseits der Kernfamilie entstehen, also Raum, der unserer diversen, bunten Gesellschaft mit modernen Ansprüchen gerecht wird.”
Antonia Cruel ist freiberufliche Architektin und seit 2021 unter anderem für Teamwerk Architekten tätig. Zuvor hat sie ihren Master in Architektur an der TUM in München erfolgreich abgeschlossen. Durch Projekte während ihres Auslandsjahrs an der ETH Zürich in Kolumbien und Johannesburg, die sich auf Beleuchtung, Wasserinfrastruktur und Wohnraumschaffung konzentrieren, hat sie die Bedeutung von Architektur für infrastrukturell schwache Regionen intensiv erlebt. Seitdem ist für sie Architektur ohne gesellschaftlichen Mehrwert und Berücksichtigung standortspezifischer Anforderungen und Herausforderungen undenkbar, und sie setzt sich als Lobbyistin für intelligente Zwischennutzung und Mehrfachnutzung von Gebäuden ein.
Schauen wir uns die wichtigsten Architekturtrends genauer an, die wir in diesem Jahr erwarten.
Um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen, streben fast die gesamte EU und viele andere führende Länder an, die CO₂-Emissionen bis 2030 um 40 % zu reduzieren und bis 2050 Netto-Null-CO2-Emissionen zu erreichen.
Netto-Null bezieht sich auf einen Zustand, in dem die Treibhausgase, die in die Atmosphäre gelangen, durch Entfernung aus der Atmosphäre ausgeglichen werden. Ein Aspekt der Dekarbonisierung von Volkswirtschaften betrachtet Renovierungen, da Gebäude nach wie vor für 40 % des Gesamtenergieverbrauchs der EU und 36 % der CO₂-Emissionen verantwortlich sind.
Die Europäische Kommission strebt an, die Sanierungsraten in den nächsten zehn Jahren mindestens zu verdoppeln. Bis 2030 sollen gemäß der klimabezogenen Gesetzgebung der EU 35 Millionen Gebäude renoviert werden, und bis 2050 weitere 220 Millionen, um sie energieeffizienter zu machen.
Holz kann eine entscheidende Rolle beim Übergang zu kohlenstoffneutralen Gebäuden spielen, da es ein zu 100 % erneuerbares, recycelbares und nicht giftiges Baumaterial ist. Holz kann das während seiner Lebensdauer aufgenommene CO₂ einschließen und als temporärer Kohlenstoffspeicher fungieren. Je länger das Holz in Gebrauch bleibt, desto länger wird das CO₂ aus der Atmosphäre entfernt, was den Effekt der globalen Erwärmung mildert.
„Wie die Welt morgen aussieht entscheiden wir heute – ökologisch nachhaltig planen und bauen ist unser Beitrag. Deswegen hat bei uns seit über 40 Jahren die Spezialisierung auf Bauen im Bestand in Verbindung mit unserer Planungsmethodik GreytoGreen® Priorität. Der Transformation des Gebäudebestandes gehört die Zukunft. Der natürliche Baustoff Holz – mit all seinen Möglichkeiten – ist hierbei ein wertvoller Beitrag.“
Stefan Bielefeld ist Gesellschafter der SSP AG, die eines der national führenden integralen Planungsbüros mit derzeit rund 200 Mitarbeiter:innen ist und über Standorte in Bochum, Aachen, Karlsruhe und Berlin verfügt. Die Arbeitsweise der flexiblen Teams bestehend aus Architekten, Stadtplanern, Haustechnikingenieuren, Sachverständigen und Immobilienökonomen unterliegt den Prämissen des 2019 von SSP geschaffenen Labels GreytoGreen®, das neben der Umsetzung der drei Nachhaltigkeitsprinzipien Effizienz, Suffizienz sowie Konsistenz den Fokus auf Ökologie und Klimaresilienz setzt, ohne Soziales und Ökonomisches außen vorzulassen. Anhand von 20 Punkten und dahinterliegenden Bewertungsstufen gelingt es, Gebäude zu schaffen, die sich mit Hilfe der integralen Planung, Interdisziplinarität und methodisch-wissenschaftlich fundiertem Vorgehen erfolgreich entwickeln und umsetzen lassen.
Das Bauen von großen, hohen Gebäuden mit Holz ist derzeit weltweit im Trend. Dies bedeutet, dass Holz nicht nur für den Bau von Privathäusern, sondern auch für Mehrfamilienhäuser, groß angelegte öffentliche Gebäude und sogar Wolkenkratzer verwendet wird.
Die Verwendung von Massivholzmaterialien, Verkohlungsmechanismen und Brandschutztechnik macht das Bauen größerer und höherer Holzstrukturen nicht nur möglich, sondern auch zu einer besseren, grüneren und sichereren Wahl.
Da Massivholzkomponenten präzise vorgefertigt werden können, minimiert dies den Bauschutt und gewährleistet eine schnellere Montage. Außerdem reduziert die Verwendung von Holz den Bedarf an schwerem Baugerät während der Bauarbeiten.
In den letzten Jahren haben wir mehrere Beispiele für den Einsatz von Holz für wirklich hohe Gebäude auf der ganzen Welt gesehen: Mjøstårnet in Norwegen (84 Meter), Ascent in Milwaukee, Wisconsin, USA (86,6 Meter), HoHo Wien in Österreich (wird bei Fertigstellung 84 Meter erreichen).
“Der Diskurs um zirkuläres Wirtschaften innerhalb der Wertschöpfungskette des Bauens benötigt dringend eine Möglichkeit der Umsetzung, hin zu weniger Verbrauch und Regeneration, um anstelle des Raubbaus an Umwelt und Ressourcen, mit einem positiveren Umwelteinfluss zu handeln. Damit haben wir als ArchitektInnen eine neue Verantwortung, die auch in einer baulichen und ästhetischen Antwort sichtbar werden soll.
Aber was heißt das konkret für uns Planer? Aufhören mit dem Bauen? Umbau statt Neubau? Materialeffizientes Bauen? Klimaschonende, klimapositive Baumaterialien? Wiederverwendung bestehender Bauteile? Alle Themen sind richtig und führen die Branche weiter: weniger neu bauen, mit Treibhausgas reduzierten Bauweisen und Materialien und einen wertschätzenden Umgang mit Bestand und bestehende Bauteile üben. Das Bauen trägt zu einer Gesellschaftsentwicklung bei, von einer expansiven zu einer reduktiven Moderne: mehr aus weniger zu machen. Es entsteht eine neue Stimmung für eine andere zirkuläre Produktivität und eine vielstimmige Ästhetik, eine Symbiose aus der Vielfalt unterschiedlichster Ausdrucksformen.”
Prof. Amandus Samsøe Sattler ist Gründer von Allmann Sattler Wappner Architekten, einem preisgekrönten Architekturbüro in München und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, DGNB e.V. Er hat bereits 35 Jahre Erfahrung mit vielschichtigen Typologien der Architektur, von Stadtentwicklung, Denkmalschutz, Kultur-, Wohn- und Gewerbebauten bis Innenarchitektur und Bauen im Bestand. Mit seinem neu gegründeten Architekturstudio ensømble legt er besonderen Fokus auf Langlebigkeit, Reduktion und Ästhetik und plant und baut Strategien mit Architektur, in Ensemble mit anderen.
fotocredit Reto.Klar@funkemedien
Wenn Holz in der architektonischen Landschaftsgestaltung eingesetzt wird, kann es große offene Flächen wie öffentliche Parks, Plätze, Sitzbereiche und Ufer in intimere und ansprechendere Räume verwandeln, die Menschen dazu einladen, mit ihrer Umgebung zu interagieren.
Die zunehmende Anerkennung der Notwendigkeit, nachhaltige Designansätze zur Minderung der Auswirkungen des Klimawandels zu verwenden, ist eine direkte Folge der gesteigerten Sichtbarkeit dieser Effekte. Architekten tragen, insbesondere bei der Gestaltung nachhaltiger Landschaften, eine erhebliche Verantwortung, um dieser Herausforderung zu begegnen.
Architekten können erheblich zu diesem Anliegen beitragen, indem sie biophiles Design und klimaneutrale Architektur integrieren, um Landschaften zu schaffen, die nicht nur die Auswirkungen des Klimawandels mildern, sondern auch die menschliche Gesundheit und das Wohlbefinden fördern.
Beispiele für nachhaltiges Landschaftsdesign umfassen Praktiken wie das Sammeln von Regenwasser, die Verwendung von einheimischen Pflanzenarten und den Bau von grünen Wänden und Dächern.
Der monolithische Look, gekennzeichnet durch ein nahtloses und durchgehendes äußeres Erscheinungsbild, oft erreicht durch die Verwendung eines einzigen Materials oder einer Farbe, wird bei Privathäusern bevorzugt, um die Attraktivität zu erhöhen.
Dieses Design schafft ein Gefühl der Einheit und Kohärenz in der gesamten architektonischen Komposition. Dies kann ein Haus sorgfältiger und absichtlicher gestaltet erscheinen lassen und seine visuelle Wirkung verbessern. Die Einfachheit des monolithischen Looks verleiht dem Design oft eine zeitlose Qualität. Häuser mit einem zeitlosen, ästhetischen Ansatz können ihre Anziehungskraft über die Jahre hinweg bewahren und Trends vermeiden, die schnell veralten.
Architekten können sich dafür entscheiden, natürliche, aber langlebige Holzarten aus verschiedenen Gründen zu verwenden, da sie die Vorteile eines natürlichen Materials mit verbesserter Haltbarkeit kombinieren.
Holz aus verantwortungsbewusst bewirtschafteten Wäldern passt zu dem zunehmenden Fokus auf umweltfreundliche Materialien. Das Holz behält eine zeitlose und warme Ästhetik bei und bietet eine wünschenswerte Kombination aus visuellem Reiz und Leistung.
Die thermische Behandlung von Eschenholz beispielsweise verbessert die Formbeständigkeit des Holzes, wodurch das Risiko von Verziehen oder Verdrehen verringert wird. Mit geringeren Wartungsanforderungen und einer längeren Lebensdauer im Vergleich zu unbehandeltem Holz, zeichnet sich Thermoesche als zuverlässige Wahl für Architekten aus, die dauerhafte, visuell ansprechende und nachhaltige Baustoffe suchen.